Die Fachwerkkirche

Die alte Volpriehäuser Kirche

Text: Detlev Herbst   –  Fotos: Ortsheimatarchiv                                         Layout & Gestaltung: Harald Wokittel

Das Alter der ersten Volpriehäuser Kirche ist nicht mehr  bekannt. Wie aus einer Akte über die Kirchen – und Pfarrgüter aus dem Jahre 1745 hervorgeht, war sie aus Stein gebaut. Sie  war 66 Fuß (ca. 20,13m) lang und 18, 5 Fuß (5, 64 m) breit. Das Kirchenschiff bestand aus einem niedrigen und einem höheren Teil, die ineinander übergingen. Im niedrigeren Ostteil des Gebäudes befand sich unter einem Gewölbe der Chor mit dem Altar, auf dem Dach des  sich anschließenden höheren Teils des Kirchenschiffes ein kleiner Turm, in dem die Läut- und Pfarrglocke hing. Nach der Überlieferung war die Kirche dem heiligen Georg geweiht.Das Mauerwerk und das Gewölbe des Vordergebäudes waren im Jahre 1552 in einem sehr schlechten Zustand.  Die Gemeindemitglieder waren aber offensichtlich nicht bereit, die notwendigen Ausbesserungsarbeiten vorzunehmen. Im gleichen Jahre mussten die Balken, die Dachsparren und das Dach erneuert werden. Das Mauerwerk wurde erst im Jahre 1745 ausgebessert. ( 1) Der Boden der Kirche bestand aus gerollertem Lehm.img125

Die Ausstattung der Kirche stammte aus dem Jahre 1588. Für die mehr als 600 Gemeinde-mitglieder in den Dörfern Volpriehausen, Delliehausen und Gierswalde waren in der Kirche lediglich 222 Plätze vorhanden, die zudem  sehr unbequem waren. Sie wurden erst 1745 durch bequemere ersetzt. Es gab in der Kirche keine ausreichende Beleuchtung, da die Fenster sehr klein waren und die drei Messingleuchter nur spärliches Licht spendeten.

Den Zustand der Kirche im Jahre 1827 beschreibt der damalige Pastor Petrosilius folgendermaßen: „[…] Bibellesen sollen des Mittwochs Nachmittag gehalten werden. Dieses ist aber praktisch  unmöglich, weil man des Nachmittags in unserer Kirche nicht lesen kann, folglich die Kinder so wenig wie ich in zu alten, oft sehr unordentlich gedruckten Bibeln richtig zu lesen im Stande sind, die Dunkelheit geht soweit, dass der Küster beim Singen nur den Ton, nicht aber die Worte im Gesang aushalten und anfangen kann, wenn es nicht ganz bekannte Gesänge sind.“ (2)

Der bauliche Zustand der Kirche war für die Gemeinde nicht mehr tragbar. Sachverständige hatten inzwischen auch festgestellt, dass die alte Kirche nicht mehr zu reparieren und ihre weitere Nutzung zu gefährlich war. (3)

Die Verlegung des Friedhofs

Die Gräber des Friedhofs waren zu dieser Zeit um die Kirche herum angelegt worden, der bis zur gegenüberliegenden Straßenseite der heutigen Delliehäuser Straße reichte. Bis zur Anlage des neuen Friedhofs wurden in Volpriehausen auch die Toten aus Delliehausen und Gierswalde beerdigt. In der Gemeinde sträubte man sich verständlicherweise  gegen den Neubau an der gleichen Stelle,  „[…] weil neben der alten Kirche noch viele neue Begräbnisse vorhanden, und weil bei dem Neubau der Kirche der größte Teil der Leichen wieder ausgegraben werden müsste, wogegen allgemein protestiert worden.“ Man suchte deswegen nach einem anderen Standort für den Kirchenneubau. Da man jedoch  keinen geeigneten fand, blieb man schließlich bei dem alten Standort.

Bereits vor den Neubauplänen hatte man den alten Friedhof  an der Kirche im Jahre 1833 aufgelassen. Im Mai des gleichen Jahres beantragte die Kirchengemeinde die Anlage eines neuen Friedhofs außerhalb des Dorfes an der heutigen Stelle. Im Juni wurde vom Konsistorium und von der Landdrostei Hildesheim die Erlaubnis zur Anlage des neuen Friedhofs erteilt. Das erste Begräbnis fand dort am 21.10.1833 statt.

Der Friedhof an der Kirche wurde sechs Jahre nach der letzten Belegung eingeebnet. Vorher war den Gemeindemitgliedern noch die Möglichkeit gegeben worden, Umbettungen vorzunehmen. Dabei hat es, wie aus den noch vorhandenen Unterlagen hervorgeht, häufiger Schwierigkeiten gegeben, da die Zeit drängte. (4)

Der Neubau der Fachwerkkirche

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Konstruktionszeichnung 1838

Im Jahre 1836 nahmen die Pläne für den Bau der neuen Kirche konkrete Formen an. Die Gemeinden Volpriehausen, Delliehausen und Gierswalde reichten an das Konsistorium in Hannover den Bauantrag mit einem Kostenvoranschlag ein. Der Neubau sollte nach Auffassung der Gemeindegremien für mindestens 450 bis 500 Gottesdienstbesucher ausreichen und „[…] in Berücksichtigung ihrer oeconomischen Verhältnisse […] nur von Holz und Fachwerk erfolgen […]“ Dies wurde mit der schlechten finanziellen Lage  begründet. Nach dem Kostenvoranschlag sollten die Baukosten ohne die erforderlichen, von den Gemeindemitgliedern zu leistenden,  Spann- und Handdienste 3562 Taler betragen.

Um die Finanzierung sicher zu stellen, sollten Gelder aus dem Pfarrkapitalienfonds, der Kirchenkasse und aus Kollekten herangezogen werden. Außerdem sollten eine Kirchenvorratskollekte und eine Kollekte im ganzen Königreich Hannover stattfinden, ein weiterer Beitrag sollte aus der Klosterkasse kommen. Weiterhin sollten die Gemeinde-mitglieder auf ihre Ansprüche auf die Kirchenstände verzichten und neue kaufen.(5) Am 16. 6. 1838 hielt Pastor Jesse den letzten Gottesdienst in der alten Kirche.img128

Danach wurde mit dem Abbruch begonnen. Die kirchlichen Veranstaltungen fanden fortan  in der Schule bzw. im Gemeindehaus statt, die Gottesdienste abwechselnd in der Schlarper Kirche und den Kapellen in Gierswalde und Delliehausen.

Die Bauarbeiten gingen zügig voran. Bereits Anfang Juni 1839 konnte das Gebäude gerichtet werden. Die Jahreszahl 1839 in der Wetterfahne auf dem Kirchturm erinnert noch heute daran. Die Kirchenkommissionen stellten erleichtert fest, dass der Finanzierungsplan eingehalten werden und mit dem Verkauf der Kirchenplätze begonnen werden konnte. Für die Männer standen 210 Plätze, für die Frauen 199 Plätze zur Verfügung. Die Kirchenstände (Plätze) mussten je nach wirtschaftlichem Stand (Steuerklasse) des Einwohners früher gekauft werden. Die Stühle der wohlhabendsten Bauern, der Ackerleute, waren wie eine Loge  von den Stühlen der übrigen Stände getrennt. Männer und Frauen saßen nicht zusammen. Am 15. November 1840 war der Bau der Kirche so weit abgeschlossen, dass die   Abschlussrechnung erstellt werden konnte. (6)

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Kirchenansicht heute

Die Weihe der neuen Fachwerkkirche fand am letzten Sonntag des Kirchenjahres, dem 22. 11. 1840, mit einem feierlichen Gottesdienst statt. Die Kirche wurde – wie beantragt – in schlichtem Fachwerk gebaut. Sie  steht auf einem Sockel aus Buntsandsteinquadern und ist  23,90 m lang und 14,75 m breit. Ihre Eingänge befanden sich ursprünglich auf der Nord- und Südseite. Aus nicht mehr bekannten Gründen  wurde der Haupteingang später auf die Turmseite verlegt, die beiden seitlichen Eingänge wurden zugemauert. Nach mehreren Teilsanierungen des Fachwerks im Laufe der Jahre wurde im Jahre 1997 die Nordseite  mit grauen Schieferplatten behängt, da eine Sanierung zu teuer geworden wäre. Eine angeregte Sanierung des Fachwerks durch den Ortsbürgermeister Harald Wokittel wurde vom damaligen Kirchenkreisamt mit Herrn Schubert, dem damaligen Pastor Lochmann und dem Kirchenvorstand leider nicht in Erwägung gezogen. Zwei Jahre später wurde das Fachwerk der Ost- und Südseite restauriert.

Bergassessor Helmuth Albrecht spendete der Gemeinde im Jahre 1942 die Turmuhr. Er wollte damit ein Zeichen gegen die nationalsozialistische Politik setzen. Sie wurde 1960 erneuert. Die Wetterfahne mit dem Kreuz, die in etwa 24 m Höhe auf  einer vergoldeten Kugel befestigt war,  wurde im Januar 2007 durch den Sturm Kyrill aus ihrer Verankerung gerissen und im März 2008 nach ihrer Restaurierung wieder aufgesetzt.

Das Innere der Kirche

Das Kircheninnere ist streng klassizistisch und schmucklos gehalten, ein Eindruck, der auch durch die dezente Farbgebung der Empore, der Kanzelwand, der Säulen und Bänke unterstützt wird. Die Kirche hat eine Empore, die hufeisenförmig auf  den Altar ausgerichtet ist und auf quadratischen mit Holz verblendeten  Säulen ruht. Auf der Empore befindet sich der Orgelprospekt, ihm gegenüber oberhalb des Altars die Kanzel und auf ihren beiden Längsseiten weitere Kirchenbänke.

Die Kanzel wird von zwei plastisch aus der Wand hervortretenden Säulen flankiert, um den Ort der Verkündigung des Evangeliums und der Predigt und ihre Bedeutung für den evangelischen Gottesdienst  besonders hervorzuheben.

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Altarwand um 1937

Rechts neben dem Altar steht der Taufstein in der Form eines romanischen Säulenkapitells. Ursprünglich gab es in der Kirche zwei romanische Taufsteine, die wohl noch aus der alten Kirche stammen. Einer von ihnen wurde gegen Ende der sechziger Jahre der evangelischen Kirche in Osterode überlassen. Die Gestaltung der Altarwand wurde mehrmals verändert. Anfangs war sie wohl weiß gekalkt. In den dreißiger Jahren befand sich links und rechts jeweils zwei kreisförmige Wandmalereien mit symbolischen Darstellungen der vier Evangelisten, in der Mitte ein weiteres Fresko mit einer Darstellung, die das Lamms Gottes zeigt. In der Nachkriegszeit wurden die Fresken entfernt und durch den Vers ersetzt:„ Also hat Gott die Welt geliebet, dass er seinen eigenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben erlangen.“

Seit dem Jahr 2003 schmückt die Altarwand ein großer mehrfarbiger Wandteppich mit dem Spruch „Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren.“ Er wurde von Frauen der Gemeinde gestickt. Über den Türen zur Sakristei und zum Treppenaufgang zur Kanzel links und rechts vom Altar hängen  Bilder mit Darstellungen der vier Evangelisten.

Abendmahlsgefäße und Inventar

In einem Verzeichnis der Kirchengeräte aus dem Jahre 1777 werden mehrere verschieden gestaltete Leinentücher für den Altar und für die Kommunikanten beim Abendmahl, für die Täuflinge und das Predigtpult genannt. Weiterhin drei Messingleuchter, ein silberner und ein zinnerner Kelch und eine zinnerne Weinflasche.

Nach der Weihe der neuen Kirche machte man sich Gedanken über die Anschaffung neuer Abendmahlsgefäße. Neben einem Zinnkrug  war nur noch der 1709 von der Familie von Roden gestiftete silberne Kelch vorhanden. Er war aber in solch einem schlechten Zustand, dass man ihn nicht mehr benutzen konnte. Das Silber war dünn geworden und sehr verbogen. Er trägt die Inschrift:img118

„Heinrich Julius von Roden hat versprochen

Friedrich Julius von Roden hat vereret

In Volpriehausen in die Kirche einen silbernen Kelg“

Man beschloss, den alten Silberkelch restaurieren zu lassen und eine neue Silberkanne für den Abendmahlswein bei einem Berliner Silberschmied für 19 Taler anfertigen zu lassen. Nach der Restaurierung des Kelchs wurde in den oberen Rand eine weitere Inschrift eingraviert „Umgearbeitet im Jahre der Einweihung der neuen Kirche in Volpriehausen im Jahre 1840“. (7)img119

Die Orgel

Im Jahre 1834 existierte noch keine Orgel in der Kirche. Kurz darauf erwarb die Gemeinde für 44 Taler ein gebrauchtes Instrument, das auch wieder in den Neubau der Fachwerkkirche  eingebaut wurde, um Geld zu sparen.  Nach einigen Jahren zeigten sich aber doch erhebliche Mängel, so dass der Superintendent in Uslar den Kantor Könecke  aus Uslar mit der Anfertigung eines Gutachtens über den Zustand der Orgel beauftragte. Die Orgel hielt schließlich noch drei Jahre. (8)

Dann beschloss der Kirchenvorstand die Anschaffung einer neuen Orgel.  Der Orgelbauer Carl Heyder aus Heiligenstadt wurde1862 mit dem Bau der neuen Orgel beauftragt, die 720 Taler kosten sollte. Davon musste die Gemeinde 320 Taler aufbringen. Im Jahre 1892 wurde sie bei Renovierungsarbeiten in der Kirche stark beschädigt. Aus finanziellen Gründen wurden in den folgenden Jahren aber immer wieder nur die notwendigsten Reparaturen ausgeführt. In den Jahren 1911 und 1957 erfolgten umfangreichere Renovierungen und Umbauten, die den weiteren Verfall der Orgel verlangsamen aber nicht aufhalten konnten. Auf Grund des mangelhaften Zustands der Orgel entschied sich der Kirchenvorstand für die Anschaffung einer neuen Orgel. Der Orgelbaumeister Ingo Kötter aus Göttingen wurde mit dem Orgelneubau beauftragt. Sie sollte 300.000 DM kosten, wovon die Gemeinde 50.000 DM selbst aufbringen musste. Die neue Orgel wurde am Entedankfest 1993 im Rahmen eines Gemeindefestes feierlich eingeweiht.IMG_9611

Die Kirchenglocken

Im siebzehnten Jahrhundert gab es in der alten Steinkirche nur eine kleine Läutglocke, die  aus dem Jahre 1619 stammte, und eine größere aus dem Jahre 1698.

Die kleinere trug die Inschrift „Gott der schouf mich und David Fobben gos mich 1619“, die größere: „Komet, last uns anbeten und knien und niederfallen für den Herrn, der uns gemacht hat. Justus Johann Jeepius, Pastor“.  Am unteren Rand war zu lesen: „ Christ. Sud. Meyer hat mich gegossen auf Volpriehausen, Delliehausen und Gierswalde ihre Kosten, Anno 1698”

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Die beiden alten Glocken wurden in den Neubau der Fachwerkkirche übernommen und befanden sich dort bis 1897 im Turm. Im Jahre 1897 ließ die Gemeinde eine große Glocke gießen, die sie allerdings schon 1917 zum Einschmelzen für die Kriegsproduktion abgeben musste. Erst im Jahre 1925 war die Gemeinde finanziell wieder dazu in der Lage, bei der Glockengießerei Kandler in Hildesheim eine große Glocke, die 210 kg wog, und eine kleinere mit einem Gewicht von 140 Kilogramm in Auftrag zu geben.

Während des Zweiten Weltkriegs musste sich die Gemeinde von der großen Bronzeglocke  trennen, da sie für die Produktion „kriegsnotwendiger Güter“ eingeschmolzen werden sollte.

Sie trug die Inschriften „ Ein feste Burg ist unser Gott“ und „Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren“ Sie wurde von der Gießerei J. Kandler in Hildesheim gegossen.

img122 img123Erst im Jahre 1951 erhielt die Kirchengemeinde Volpriehausen wieder zwei Glocken, aus finanziellen Gründen allerdings aus  Stahl. Sie wurden von J.F. Weule in Bockenem am Harz gegossen und rufen noch heute zum Gottesdienst.  Sie wurden am 7.5.1951 in einem feierlichen Umzug vom Ortseingang bis zur Kirche geleitet.  Die große Glocke trägt die Inschrift „ Wachet und betet. Der Herr ist nahe“, die kleine „ Fürchte Dich nicht! Glaube nur!“ (9)

Quellen:

NHStAH – Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover

PA V   – Pfarrarchiv Volpriehausen

  • NHStAH Hann 83 IV, Nr. 122
  • NHStAH Hann 83 IV, Nr. 122
  • PA V Neubau der Kirche
  • NHStAH, Hann Des 80 Hildesheim I O, Nr. 8394
  • NHStAH Hann 74 Uslar, Nr. 1378
  • NHStAH Hann 74 Uslar, Nr. 1379
  • Unterlagen d. Fam. Fasse Delliehausen
  • NHStAH Hann Des 80 Hildesheim I O, Nr. 8399
  • Schulchronik Volpriehausen 1904 – 1954