Klausner Nährmittel- u. Speisefettfabrik K. Athenhöfer KG, Volpriehausen
Text: Detlev Herbst
Fotos und Gegenstände: Ortsheimatarchiv Volpriehausen
Layout und Gestaltung: Harald Wokittel (Stand: 17.10.2016)
Kriegsende in Volpriehausen Flüchtlingsleid und hohe Arbeitslosigkeit
Am 10. April 1945 besetzten Soldaten der 10. US Division Volpriehausen ohne große Gegenwehr. Der Besetzung waren mehrere Angriffe von Tieffliegern und heftiger Artilleriebeschuss vorausgegangen. Dabei wurden ein Erwachsener und ein vierjähriger Junge tödlich getroffen. Ein weiterer Dorfbewohner wurde infolge eines Missverständnisses erschossen, als er nicht auf die Zurufe amerikanischer Soldaten reagierte und weglaufen wollte. Infolge des Abwurfs einer Luftmine auf die Hallen im Fertigungsgebiet am 31. Dezember 1944 wurde die Halle 1 erheblich beschädigt. Am 28. März 1945 erfolgte ein britischer Bombenangriff auf das Gelände der Heeresmunitionsanstalt. Dabei hatte es größere Sachschäden gegeben.
Nach Kriegsende zählte Volpriehausen 980 Einwohner. Ein Großteil der Deportierten und Kriegsgefangenen, die während des Krieges in der Heeresmunitionsanstalt als Zwangsarbeiter eingesetzt waren, hatte den Ort bereits verlassen. Ihre ehemaligen Unterkünfte, Holz- und Steinbaracken in der heutigen Pommernstraße und der Schachtstraße, standen leer, so dass sie für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden konnten. Daher wurden der Gemeinde Volpriehausen mehr Flüchtlinge zugewiesen als den Nachbarorten. Im März 1946 kam der erste reguläre Flüchtlingstransport auf dem Bahnhof Volpriehausen an. Weitere folgten. Bald reichte der Platz in den Baracken nicht mehr aus, so dass zusätzlicher Wohnraum im Dorf und sogar auf dem Gut Bollertsmühle am östlichen Ortsrand gelegen, belegt werden musste. Die Einwohnerzahl des Dorfes stieg infolgedessen weiter. Im Jahre 1946 hatte das Dorf 1.140 Einwohner, ein Jahr später bereits 1.720. Durch den ständigen Zustrom an Flüchtlingen erhöhte sich die Einwohnerzahl auf 1.750 im Jahre 1948 und erreichte schließlich im Jahre 1949 mit 1.920 Einwohnern ihren Höchststand. Erst zu Beginn des Jahres 1950 ließ der Zuzug von Flüchtlingen langsam nach. Zu dieser Zeit befanden sich noch 775 Vertriebene und Flüchtlinge im Dorf – das waren 43% der Dorfbevölkerung. Davon waren 596 arbeitslos. Immer mehr Flüchtlinge verließen den Ort deshalb oft schon nach nur kurzem Aufenthalt in der Hoffnung, anderswo Arbeit zu finden oder um zu Verwandten zu ziehen. Infolgedessen ging die Einwohnerzahl 1950 auf 1.833 zurück. Darunter befanden sich immer noch 570 Flüchtlinge.
Die Möglichkeit, nach Kriegsende in Volpriehausen einen Arbeitsplatz zu finden, war für Einheimische wie für Flüchtlinge gleichermaßen schwierig. Die beiden größten Arbeitgeber vor dem Kriege, das Kaliwerk und die Heeresmunitionsanstalt, waren nicht mehr in Betrieb. Ihre Betriebsgebäude waren zum Teil durch die Explosion der Heeresmunitionsanstalt am 29. und 30. September 1945 erheblich beschädigt worden und nur noch eingeschränkt nutzbar. Drei Gebäude auf dem Werksgelände waren von britischen Soldaten gesprengt, noch vorhandene Maschinen waren demontiert worden. Auf dem Gelände der ehemaligen Heeresmunitionsanstalt wurden neben früheren Bergarbeitern etwa 100 Einwohner und einige Studenten aus Göttingen als Hilfsarbeiter über und unter Tage bei Aufräumungs- und Bergungsarbeiten eingesetzt.
In den Jahren 1946 bis 1950 gründeten vor allem Flüchtlinge mehrere kleinere Handwerksbetriebe auf dem Gelände und schufen dadurch etwa 50 neue Arbeitsplätze. Auch in den Basaltsteinbrüchen der Bramburg bei Adelebsen und in den Braunkohle – Tagebauen bei Delliehausen fanden Arbeitslose Arbeit.
Die Gründung der Klausner Nährmittel- und Speisefettfabrik
Konrad Athenhöfer war bis zum Frühjahr1937 bei der „Reichsstelle für Öle und Fette“ in Berlin als Revisor beschäftigt. Auf Anraten von Freunden kündigte er jedoch sein Arbeitsverhältnis, um eine andere Tätigkeit aufzunehmen. Schon kurz darauf stellte ihn der „Fleisch- und Fettkonzern“ in Köln – Braunsfeld als Prokurist ein. Infolge der zunehmenden alliierten Bombenangriffe auf Köln verließ dessen Besitzerin Aengeneyndt Köln und übergab Konrad Athenhöfer die Leitung des gesamten Betriebs.
Nach ihrer Rückkehr im Herbst 1945 beschloss Konrad Athenhöfer, sich selbständig zu machen. Der Direktor der Kölner Filiale der Dresdner Bank, Steinrücke sen., mit dem Athenhöfer viele Jahre zusammengearbeitet hatte, sagte ihm für die Gründung einer eigenen Firma finanzielle Unterstützung zu.
In der britischen Besatzungszone bestand zu dieser Zeit ein enormer Bedarf an Fetten. Daher waren die britischen Behörden in besonderem Maße an Neugründungen von Firmen interessiert, die dazu beitragen konnten, die Versorgung der Bevölkerung mit Fetten sicherzustellen. Athenhöfer wandte sich deshalb mit seinem Vorhaben an die britischen Besatzungsbehörden. Daraufhin wurde ihm in Clausthal – Zellerfeld das nicht mehr genutzte Gelände eines früheren Industriebetriebs angeboten. Bei der Besichtigung der Hallen stellte sich jedoch heraus, dass sie wegen ihres schlechten Zustands nicht für den vorgesehenen Zweck geeignet waren. Noch in Clausthal – Zellerfeld erhielt Konrad Athenhöfer durch Zufall einen Hinweis auf das Gelände der ehemaligen Heeresmunitionsanstalt in Volpriehausen.
Noch am selben Tag fuhr er nach Volpriehausen weiter und besichtigte die Hallen im ehemaligen Fertigungsgebiet, das in einem größeren Waldstück lag. Sie befanden sich in einem besseren Zustand und schienen ihm für seine Zwecke geeignet zu sein.
Das ehemalige Fertigungsgebiet (F-Gebiet) lag am östlichen Ortsrand Volpriehausens und war Eigentum des Deutschen Reichs. Es hatte eine Größe von 24 ha, von denen 3600 qm bebaut waren, und war über eine Stichstraße mit der Reichsstraße 241 verbunden. Dort befanden sich fünf massive aus Backstein gebaute Hallen, in denen bis zum Jahre 1942 Munition gefertigt und ihre Bestandteile gelagert wurden, ein Gemeinschaftsgebäude mit Heizzentrale und mehrere kleine Gebäude.
Nach langwierigen Verhandlungen mit der britischen Militärregierung und den deutschen Behörden in Hannover gelang es, einen Pachtvertrag für das Gelände auszuhandeln.
Im Juli1946 gründete Konrad Athenhöfer die „Klausner Nährmittel- und Speisefettfabrik K. Athenhöfer KG“. Den Firmennamen Klausner – damit ist ein Einsiedler gemeint – wählte er in Anlehnung an den zuerst geplanten Firmensitz Clausthal – Zellerfeld. Athenhöfer wurde persönlich haftender Gesellschafter, mehrere Mitglieder der Bankiersfamilie Steinrücke Kommanditisten. Mit dem Permit HAN/ ECON 6/1005 genehmigte die Britische Militärregierung am 19.7.1946 die Aufnahme der Produktion.
Die Aufnahme der Produktion unter schwierigsten Voraussetzungen
Die Produktion konnte nach der Erteilung der Genehmigung durch die Britische Militärregierung nicht sofort aufgenommen werden. Die zum Teil schwer beschädigten und ausgeplünderten Gebäude mussten zuerst wenigstens notdürftig instand gesetzt werden. Stützmauern der Hallen waren zum Teil eingestürzt, Dächer einzelner Hallen beschädigt und die meisten Fensterscheiben zerbrochen. Auf dem Gelände lagen zahlreiche entwurzelte und gefällte Bäume, so dass die schmalen Verbindungsstraßen zwischen den einzelnen Hallen kaum zu benutzen waren. Für die Aufräumungs- und Instandsetzungsarbeiten standen anfänglich nur fünf Arbeitskräfte zur Verfügung.
Im Januar 1947 war die Zahl der Mitarbeiter bereits auf 39 gestiegen – bis auf wenige Ausnahmen Flüchtlinge. Der Anteil weiblicher Arbeitskräfte – größtenteils junge Frauen – lag bei etwa einem Drittel, so dass auch Frauen für körperlich schwere Tätigkeiten herangezogen werden und beim Wegräumen der Steine und bei Maurerarbeiten helfen mussten. Es bestand immer noch ein großer Mangel an männlichen Arbeitskräften, da viele Männer im Krieg gefallen oder noch nicht aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt waren. Hinzu kamen erhebliche Schwierigkeiten bei der Beschaffung von dringend benötigten Baumaterialien und Werkzeugen, für die Bezugscheine und Lizenzen der britischen Militärregierung benötigt wurden. Am 21. Oktober 1946 waren -bis auf die Halle 1 – die dringendsten Reparaturen abgeschlossen, so dass die Produktion wenigstens schrittweise anlaufen konnte.
In der Anfangsphase mussten die Mitarbeiter ihre Arbeitsgeräte wie Kochlöffel, Siebe und Töpfe aus Holz, aus alten Stahlhelmen und Gasmasken selbst herstellen, da die benötigten Geräte nirgends zu erhalten waren.
In dieser Situation kam Konrad Athenhöfer ein glücklicher Zufall zu Hilfe. Anfang 1946 erfuhr er, dass der „Fleisch- und Fettkonzern“ in Köln, für den er tätig gewesen war, in Konkurs gegangen war und er einige Maschinen für die Herstellung von Speisefetten aus der Konkursmasse kaufen konnte. Bei den übrigen in der Produktion eingesetzten Maschinen handelte es sich um Spezialmaschinen für die Herstellung von Suppenwürze und Fertigsuppen, die zwischen 1946 und 1948 aus Betrieben in der Französischen Besatzungszone angekauft wurden.
Starke Kälte in den Monaten Januar bis März 1947 beeinträchtigte die Produktion erheblich. Die Holzzuweisungen für den Betrieb und die Belegschaft reichten nicht zum Beheizen der Hallen und der Wohnungen der Mitarbeiter aus. Außerdem war bis zum Herbst 1947 die regelmäßige Stromversorgung nicht gesichert. Es kam immer wieder zu Unterbrechungen der Stromversorgung, die verkürzte Produktionszeiten zur Folge hatten und für die Belegschaft mit Lohneinbußen verbunden waren. Auch infolge des Mangels an Arbeitskleidung, Gummistiefeln und Arbeitsschuhen kam es häufiger zu Unterbrechungen der Produktion. Ihre Zuteilung war nur über Bezugsscheine nach umständlichen Anträgen an das Kreiswirtschaftsamt in Northeim möglich. Entsprechende Anträge konnten nur bei Nachweis der Berechtigung über den Betrieb, die Gewerkschaft oder über die Gemeindeverwaltung gestellt werden.
Ein weiteres Problem bildete die Ausstattung der Belegschaftsangehörigen mit warmer Kleidung, Wäsche, Lederschuhen und Koch – und Essgeschirr. Auch sie wurden nur bei Nachweis des Anspruchs über Bezugsscheine zugeteilt. Ein Großteil der Mitarbeiter waren Flüchtlinge, die meistens nur mit dem, was sie auf dem Leibe trugen, nach Volpriehausen gekommen waren. Ab Februar 1947 wurde die Benutzung von Krafträdern für die Fahrt zum Arbeitsplatz genehmigt, falls keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzt werden konnten. Die meisten Arbeitskräfte kamen aus Volpriehausen, wenige auch aus Delliehausen, Gierswalde und Schlarpe. Sie wurden jeden Morgen von einem firmeneigenen LKW abgeholt und zur Fabrik gebracht.
Der ehemalige große Gefolgschaftsraum der Heeresmunitionsanstalt diente als Speiseraum der Belegschaft. Dort fanden auch Gemeinschaftsveranstaltungen statt. Ende der vierziger bis Anfang der fünfziger Jahre lud Konrad Athenhöfer des öfteren zu Konzertabenden mit dem Pianisten Hans Priegnitz und anderen Solisten ein. Bei Weihnachtsfeiern ließ es sich Athenhöfer nicht nehmen, die Liedvorträge auf dem Klavier zu begleiten, seine Tochter Blanca sagte Gedichte auf. Diese Veranstaltungen wurden von der Belegschaft und der Bevölkerung als Abwechslung dankbar angenommen.
Im August 1946 ließ der Kontrollrat in Niedersachsen wieder freie Gewerkschaften zu. Aus Unterlagen des Ortskartells Volpriehausen der Allgemeinen Gewerkschaft geht hervor, dass es bereits seit Januar 1947 bei Klausner eine Nebenstelle der Industriegewerkschaft Nahrung und Genuss gab, in der nahezu alle Beschäftigten organisiert waren. Seit dem Spätsommer gab es bereits einen Betriebsrat. Zu den wichtigsten Aufgaben des Betriebsrats und der Gewerkschaft gehörten die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Versorgung mit lebensnotwendigen Dingen. So veranstaltete der Betriebsrat zum Ausgleich der Überstunden gemeinsames Rübenkrautkochen in der Firma, um so für Brotaufstrich zu sorgen. Er half auch bei Anträgen auf Bezugsscheine und führte Fortbildungsmaßnahmen durch.
Im März 1947 betrug das durchschnittliche Arbeitszeitsoll eines Mitarbeiters 190 Stunden pro Monat. Im April 1948 lag der Stundenlohn für eine Mitarbeiterin bei 0,45 RM, das Bruttomonatsgehalt bei 371,72 RM, wovon noch der Krankenkassenbeitrag in Höhe von 37, 63 RM abgezogen wurde.
Im Januar 1948 waren 109 Mitarbeiter bei Klausner tätig. Darunter waren zwanzig junge Frauen. Der überwiegende Teil der Belegschaft, 80 Mitarbeiter, waren Flüchtlinge.
Am 23. Juni 1948, zwei Tage nach der Währungsreform, wurde eine Betriebsversammlung einberufen, auf der auch Konrad Athenhöfer sprach. Infolge der Währungsumstellung hatte sich die finanzielle Situation des Betriebs verschlechtert. Der Aufbau der Firma war zwar abgeschlossen, es standen aber keine ausreichenden finanziellen Mittel mehr zur Verfügung. Nach der Einführung der DM betrug das Betriebsvermögen nur noch 5.700 DM. Athenhöfer forderte daher alle Belegschaftsangehörigen auf, mit äußerster Anstrengung zu arbeiten, um die Arbeitsplätze im Betrieb zu erhalten. Das Bezugsscheinwesen war nach der Währungsreform aufgehoben worden war, so dass nun jeder für sich selbst verantwortlich war. Kohlen und Briketts blieben aber auch nach der Währungsreform rationiert und wurden weiterhin zugeteilt. Die schlechte Ernährungslage der Mitarbeiter führte immer wieder zu Kündigungen wegen nachlassender Arbeitskraft, so dass die Mitarbeiterzahl ständig schwankte.
Die Abteilungen der Nährmittelfabrik
Die Nährmittelfabrik gliederte sich in drei Abteilungen: Die Suppenstation, die Würzestation und die Fettschmelze.
Die dafür benötigten Rohstoffe waren nicht immer leicht zu beschaffen, da sie wie alles andere rationiert waren. Das Wirtschaftsamt in Northeim teilte die Hauptrohstoffe, die Eiweißträger, zu. Von der Rhumemühle in Northeim wurden Mehle und Schrote, von den Schlachtereien im Kreis Northeim Hufe, aus Hamburg Fischmehl und aus Nienburg und Leverkusen Salzsäure bezogen. Zum Heizen wurde Braunkohle aus dem 1946 erschlossenen Tagebau der Hoch – Tief in Delliehausen bezogen.
In Halle 1 wurden im Jahre 1948 Büroräume und ein Konferenzraum eingerichtet, die zuvor in Halle 3 untergebracht waren.
In Halle 2 befanden sich die Gemeinschaftsräume für die Mitarbeiter.
Halle 3: Die Suppenstation
Zur Suppenherstellung wurden verschiedene Mehlsorten aus Weizen, Mais und Soja in einer Spezialmaschine geröstet. Um die verschiedenen Geschmacksorten zu erhalten, wurden dem Suppenmehl als „Geschmacksträger“ Sellerie und andere Gemüsesorten, Gewürzsalze und konsistente Würze beigemischt. Durch Hinzufügen weiterer Gemüsearten wurden Spezialitäten wie Westfalensuppe mit Erbsen, Schwabensuppe mit Nudeln, Frankensuppe mit Grütze und Braunsoße hergestellt. Braunsoße diente zum Herstellen von Bratensoßen oder zum Verlängern von bereits fertiger Soße. Die Fertigsuppen kamen in kleinen Beuteln in den Handel. Sie brauchten vom Kunden dann nur noch mit Wasser aufgekocht zu werden.
Der Suppenstation wurde 1948 nach der Lizenzvergabe durch die britische Militärregierung die Pudding- und Backpulverherstellung angegliedert
Halle 4: Die Würzestation
In der Würzestation wurden Suppenwürze und Brühpaste hergestellt. Die technische Ausstattung der Würzestation war verhältnismäßig gut. Dort waren zwei Rührkessel und zwei Autoklaven in Betrieb. Zwei Vakuummaschinen senkten den Luftdruck, da die Würze unter reduziertem Druck gekocht wurde. Für die Würzeherstellung waren die „Eiweißträger“ wie Huf- und Hornmehl, Fischmehl, Weizen, Raps, Mais und Bucheckernschrot von besonderer Bedeutung. Aus diesen Eiweißträgern wurde mit Hilfe von Salzsäure das Eiweiß herausgezogen. Anschließend wurde die Flüssigkeit gekocht. Die Salzsäure wurde dann durch Soda gebunden. Dabei entstand Kochsalz, das keiner anderen Verwendung zugeführt wurde. Durch weiteres Erhitzen wurde allmählich das Wasser entzogen. Bei der Herstellung flüssiger, konsistenter oder konzentrierter Würze wurde der Wasseranteil jeweils entsprechend reduziert.
Die flüssige Würze wurde in drei Vorratsbehältern zu je 15000 l gelagert. Sie wurde in Glasballons versandt Die zähflüssige konsistente und konzentrierte Würze wurde in Blecheimern versandt, aus denen sie für den Verkauf in kleine Glasflaschen, die Maggiflaschen ähnlich sahen, abgefüllt wurde.
Neben den Würzebehältern gab es noch einen weiteren Großbehälter für die Salzsäure.
In einem Nebenraum war ein Labor zur Qualitätskontrolle eingerichtet.
Halle 5: Die Fettschmelze
Auch die technische Ausstattung der Fettschmelze war den Umständen entsprechend gut.
Dort befanden sich drei große Kessel, ein Separator und eine elektrische Waage.
In der Fettschmelze wurden Butter zu feinerem Butterschmalz und Speck zu Schmalz verarbeitet. Die Butter wurde dazu in einem großen Kessel auf 60 Grad erhitzt. In einem Separator setzten sich dann die Schmutzstoffe ab, die sich durch lange und schlechte Lagerung gebildet hatten. Dann wurde die Masse noch einmal durch indirekte Zuleitung von Dampf gekocht. Das Butterschmalz wurde abgekühlt und in mit Pergamentpapier ausgelegte Kisten gefüllt. Anschließend wurden die Kisten gewogen, verschlossen und versandfertig gemacht.
Wie die Würzestation hatte auch die Fettschmelze ein eigenes Kesselhaus. Der eiserne Schornstein der Halle 4 hatte eine Höhe von 30 m, der der Halle 5 war 25 m hoch.
Ein drittes Kesselhaus befand sich noch in der Heizstation.
Auftragsannahme und Auslieferung
Die Erzeugnisse der Nährmittelfabrik durften auf Grund der Sonderbestimmungen der britischen Militärregierung nur innerhalb der britischen Besatzungszone verkauft werden. In die amerikanische Zone durfte nur exportiert werden, wenn im Austausch Rohstoffe von dort bezogen wurden.
Im Jahre 1949 wurde eine neue Abteilung eingerichtet, die speziell für die Betreuung und Belieferung von Großabnehmern im gastronomischen Bereich wie Kantinen und Gastwirtschaften zuständig war.
Die Auftragsannahme erledigten Reisende, die mit einem „Musterkoffer“ die Kunden besuchten. Anfänglich standen ihnen für die Kundenbesuche nur Fahrräder und Motorräder zur Verfügung. Klausner hatte für diesen Zweck mehrere gebrauchte Motorräder der Marke Zündapp aus Wehrmachtsbeständen gekauft, deren Gepäckträger mit Kästen für die Musterkoffer der Reisenden versehen wurden. Die Motorräder wurden im Jahre 1949 durch mehrere Standardmodelle des VW Käfers ersetzt, die mit dem Firmenlogo, dem Klausner, und dem deutlich sichtbaren Schriftzug Klausner versehen waren.
Für die Auslieferung der Waren stand am Anfang ein LKW, für sonstige Fahrten ein kleiner Lieferwagen und ein PKW zur Verfügung. Nach 1949 wurde der Fuhrpark um mehrere VW Lieferwagen erweitert.
Der Neubau des Fabrikationsgebäudes am Bahnhof
Da der Pachtvertrag für die Hallen im F-Gebiet Anfang der sechziger Jahre auslaufen sollte, musste Konrad Athenhöfer sich früh genug nach einer Alternative umsehen. Er erwarb im Jahre 1957 das Gelände der früheren Brikettfabrik am Bahnhof in Volpriehausen, um dort in naher Zukunft einen Fabrikneubau zu errichten. Das Gelände lag sehr verkehrsgünstig und hatte einen eigenen Bahnanschluss.
Der bedeutendste Wettbewerber Klausners in Nordwestdeutschland, die Firma August Oetker in Bielefeld, hatte sich in den fünfziger Jahren zum bedeutendsten Hersteller von Puddingpulver, Fruchtkaltschalen und Backzutaten entwickelt. Auf Grund dieser Entwicklung war es bei Klausner zu spürbaren Verkaufs- und Ertragseinbrüchen gekommen. Seit Anfang 1957 war die Produktion von Puddingpulver, Backpulver, Vanillezucker, Kaltspeisen, Maismehl und Tortengüssen rückläufig, die Herstellung von Würze wurde ganz eingestellt. Fertigbackwaren wurden neu in das Produktionsprogramm aufgenommen. Aus Platzgründen stand hierfür nur die Halle 1 zur Verfügung. Sie wurde mit erheblichem Kapitalaufwand für den neuen Verwendungszweck hergerichtet und mit Teigrührmaschinen und Backöfen ausgestattet. Nach einer Erprobungsphase begann Ende September 1959 die Produktion der ersten Backwaren. Sie wurden unter dem Markenzeichen „Oke“ vertrieben. Klausner war damit einer der ersten industriellen Fertigbackwarenhersteller in Deutschland.
Die Firmenleitung war davon ausgegangen, mit dem Bau der neuen Fabrik bereits 1960/61 beginnen zu können. Doch der Baubeginn verzögerte sich. Die Fertigbackwaren entwickelten sich nach der etwas schwierigen Anlaufphase mehr und mehr zu einem Verkaufsschlager, so dass die Produktion mit dem Absatz kaum Schritt halten konnte. Eine Steigerung der Produktionszahlen gestaltete sich unter den gegebenen Umständen jedoch äußerst schwierig. Die Hallen im F-Gebiet waren zu klein, so dass ein für größere Stückzahlen nötiger Bandbackofen nicht eingebaut werden konnte. Zudem mussten bei jeder Witterung die warmen Backwaren zum Abkühlen in eine Nachbarhalle gebracht werden.
Im Jahre 1963 wurde schließlich mit dem Neubau der Fabrik am Bahnhof begonnen. Bereits ein Jahr später, am 10. September 1964, konnte die Produktion in der mit den modernsten Maschinen ausgestatteten neuen Fabrik aufgenommen werden. Ein großer Bandbackofen ermöglichte nun die Herstellung von bis zu 4000 Fertigkuchen am Tage. Hinzu kamen weiträumige Anlagen zum Auskühlen der ofenfrischen Backwaren.
Das Okey – Backwarensortiment war ständig erweitert worden und bestand jetzt aus Biskuitböden, Tortenböden, rechteckigen oder runden Sandkuchen mit und ohne Glasur, Wiener Böden und Christstollen.
Im Frühjahr 1960 hatte Konrad Athenhöfers Sohn Norbert die Leitung des Okey – Kuchenvertriebs für die Bundesrepublik Deutschland übernommen. Prokurist der Firma war Ernst Grundmann, der seit 1951 bei Klausner tätig und bis 1961 für den Verkauf von Pudding und Würze zuständig war. Leiter der Backwarenabteilung war Friedhelm Herbst. Sein Nachfolger wurde 1964 der Bäckermeister Harry Düsterwald. 30 Handelsvertreter sorgten für den bundesweiten Vertrieb der Backwaren über Lebensmittel- und Backwarengroßhändler.
Die Absatzgebiete für die Klausner – Produkte lagen hauptsächlich im norddeutschen Raum, aber auch in Hessen und in Süddeutschland.
Für Werbeaktionen und die Auslieferung standen 21 Lieferwagen und VW Käfer und ein LKW zur Verfügung, die mit dem nicht zu übersehenden Firmenlogo, dem Klausner, und dem Klausner – Schriftzug versehen waren. Mit ihren auffällige
n Fahrzeugen besuchten die Reisenden die Kunden. Werbedamen, Propagandistinnen genannt, begleiteten sie und boten Kostproben des Backwarensortiments an oder luden die Bevölkerung auf zentralen Plätzen zur Verköstigung ein.
Die „Klausner Nährmittel KG“ war nach wie vor eine Kommandit-gesellschaft. Konrad A
thenhöfer haftete mit seinem Privatvermögen, die Familie Steinrücke aus Köln war Kommanditist und haftete mit der Höhe ihrer Einlage. Wegen unterschiedlicher Vorstellungen über die künftige Produktpalette mit seinem Vater zog sich Norbert Athenhöfer Anfang 1965 aus dem Betrieb zurück. Konrad Athenhöfer suchte einige Jahre später wegen seines angegriffenen Gesundheitszustandes einen Käufer für das Unternehmen und verkaufte es schließlich im November 1970 an den Mitbewerber „Schwetje und Sohn“ in Duingen bei Alfeld.
„Schwetje und Sohn“, Zweigbetrieb Volpriehausen
Nach dem Verkauf des Betriebsgeländes und der Backrezepturen führte die Firma „Schwetje und Sohn“ das frühere Klausner- und Okey – Backwarenwerk in Volpriehausen als Zweigniederlassung weiter. Sie wurde direkt vom Sitz der Muttergesellschaft aus geleitet. Alle Angestellten wurden übernommen, die bisherige Produktionspalette an Backwaren wurde unverändert weitergeführt. Anfang 1974 hatte die Firmenleitung die Produktion von Fertigkuchen in Volpriehausen, die immer noch bei über 4000 Stück täglich lag, heruntergefahren. Der Betriebsrat hatte daraufhin die Einführung von Kurzarbeit vorgeschlagen, die aber abgelehnt wurde.
Am 5.4.1974 stellte „Schwetje und Sohn“ schließlich die Produktion im Zweigwerk Volpriehausen aus wirtschaftlichen Gründen ein. Die gesamte Backwarenproduktion wurde in das Stammwerk nach Duingen verlagert. Dadurch wurden die noch in Volpriehausen tätigen 48 Mitarbeiter, zehn Männer und 38 Frauen, arbeitslos. „Schwetje und Sohn“ war allerdings bereit, alle Arbeitskräfte aus Volpriehausen in das Stammwerk zu übernehmen. Für diejenigen, die nicht umziehen wollten, wurde täglich ein Firmenbus zwischen Volpriehausen und dem 60 Kilometer entfernten Duingen eingesetzt. Diejenigen, die nicht in der Firma weiter arbeiteten wollten, erhielten eine Abfindung in Höhe eines halben Monatslohns.
Quellen:
Rudi Bäulke: Ein Wirtschaftsbetrieb meiner Heimat,
Klausner – Nährmittel – und Speisefettfabrik Athenhöfer KG, Volpriehausen
Prüfungsarbeit, unveröffentlicht
Moringen 1948
Detlev Herbst: 750 Jahre Volpriehausen, Aus der Geschichte unseres Dorfes
Göttingen 1983
Interviews/ Briefwechsel mit N. Athenhöfer, E. Düsterwald, H. Grundmann, B. von Stockhausen
Unterlagen des Ortsverbandes der Industriegewerkschaft Nahrung und Genuss und des Betriebsrats der Klausner Nährmittelfabrik
Meldebuch der Gemeinde Volpriehausen
Northeimer Allgemeine vom 5. 4. 1974