Die Klage der Kirchgemeinden Volpriehausen und Schlarpe gegen ihren Pastor Justus Johannes Jeep
Im Jahre 1628 hatte das Konsistorium in Hannover beschlossen, die schon seit längerer Zeit vakante Pfarrstelle in Schlarpe nicht mehr zu besetzen. Sie sollte vielmehr mit der Nachbargemeinde Volpriehausen vereinigt und von deren Pfarrer Johann Wendt mit betreut werden. Wendts Nachfolger Martinus Christiani bat im Jahre 1679 darum, ihm einen Hilfspastor (Pastor adjunctus) zur Seite zu stellen, weil er das Filialdorf Schlarpe mit versorgen müsse und „[… sein kümmerlicher Gesundheitszustand …]“ ihm Sorgen bereite. Die Bauermeister und Gemeindevorsteher aller vier Dörfer des Kirchspiels unterstützten seinen Antrag. Noch im gleichen Jahr kam Justus Johannes Jeep aus Dransfeld als Pastor adjunctus nach Volpriehausen. Als Pfarrbesoldung musste ihm Pastor Christiani die Hälfte aller Ländereien, das Beichtgeld und die Einnahmen aus den Schlarper Amtshandlungen überlassen.
Nach anfänglich guter Zusammenarbeit stellten sich jedoch schon bald größere Probleme ein. Aus einem Schreiben an das Konsistorium des Uslarer Superintendenten Specht geht hervor, dass „Justus J. Jeep sich mit des alten Priesters daselbst Martinus Christiani Tochter verheiratet und zu derselben vor gehöriger Zeit sich nahe getan, dass sie am 12. September einen jungen Sohn genesen.“ Specht führt weiter aus, dass er eigentlich zuerst das Ärgernis habe abwenden und das Kind als Siebenmonatskind habe hinstellen wollen. Da aber die Hochzeit Jeeps am 28. April 1679 von den Bewohnern der Dörfer sicherlich noch nicht vergessen war und sie nachrechnen könnten, wollte er doch lieber Meldung erstatten. Vor allem machte er sich darüber Sorgen, „…dass die ohnehin rohe und verwilderte Gemeinde in noch weitere Unordnung geraten könne.“
Bis zur Verhandlung der Angelegenheit wurde Jeep vorübergehend vom Dienst suspendiert. 1680 wurde er jedoch wieder in sein Amt eingesetzt und zur Zahlung einer Strafe von 12 Talern verurteilt. Jeep nahm das Urteil an und bat um Stundung der Strafe, da er sich nicht in der Lage sah, den gesamten Betrag auf einmal zu zahlen.
Im Jahre 1679 wurde erneut gegen Jeep Klage erhoben. Pastor Christiani warf ihm vor, dass Jeep seinen Dienst in Schlarpe nicht ordentlich versehe. Er hatte gehofft, dass Jeep ihm helfe, die Gemeinde weiter aufzubauen. Er befürchte jedoch, dass dieser stattdessen das in 34 Jahren Aufgebaute über den Haufen werfe. Er schlug deshalb vor, Jeep zu versetzen und ihm einen anderen Pastor nach Volpriehausen zu schicken. Seinem Wunsch wurde jedoch nicht entsprochen.
- Die Bauermeister und Kirchenvorstände der Gemeinden Volpriehausen, Schlarpe, Delliehausen und Gierswalde reichten im Jahre 1701 eine weitere schwerwiegendere Klage gegen Justus Jeep ein. Sie klagten Jeep wegen seines ungebührlichen Verhaltens an und warfen ihm im Einzelnen in 46 Punkten ungebührliches Verhalten vor.
- Wahr und Zeugen wißendt, dass Beklagter dem Gesöff sehr ergeben sey
- Undt wie wahr, gar oft hier und dar in Brannteweins Krügen sich aufhalte undt sich vollsaufe.
- Wahr, dass er alda in deren Krügen sich mit allerhand gemeinen Leuten auch Zauberern in die Gesellschaft zum Trunke hinsetze
- Wahr, dass er in dergleichen Gesellschaften in deren Krügen mitt deren Leuten und Zauberern verschiedentlich in der carten zu spielen anfange, ja gar dieselben zum Spielen berede und an reitze.
- Wahr und Zeugen wissend, dass er bey solchen spielen in deren Krügen mehrmals und zwar verschiedentlich, weilen er falsch spielens beschuldigt worden in Streit gerathen, so dass es, wenn nicht seiner als eines geistlichen geschonet worden, es mitt ihm gar oft zu wirklichen Schlägen gerathen were.
- Wahr, dass Er vor etwa 6 Jahren nebst Zeugen im Kruge zu Delliehausen und sich so so voll gesoffen, dass er s.u. davon gespien und im Kohte sich gewelzet.
- Wahr aber dabey mitt Zeugen (dem Förster) Verabredet, Demselben des andern morgens ein Pferd zu verkaufen.
- Wahr, dass Zeuge der Förster nebst Mitzeugen des andern Morgens hin nach Vollperhausen auf dessen Hof gegangen.
- Wahr, Beklagter ihnen alda das Pferd vorgeritten , aber viel zu theuer geboten, und mit vielen fluchen, der Teufel sollte ihn holen etc. es hatte ihm so viel auf dem Markte gekostet.
- Wahr, dass Zeugen darauf in dessen Stube gangen und darin den Pastorum von Schöningen Ehren Christof Müllern angetroffen.
- Welcher, wie wahr, auf ihr Befragen worum sie ihn so früh alda fünden, geantwortet es hätte Beklagter Jep ihn sothanes Morgens das heil. nachtmahl von ihm zu empfangen bestellen lassen.
- Wahr aber, dass Mitzeuge, der Amtsschreiber denselben erzählet, Wie Er Beklagter sich vorigen abends so besoffen und kaum anitzo bey dem Vorgehabten pferde Handelso grauliche Fluche gebraucht habe.
- Wahr, dass darauf gedachter Pastor von Schöningen nebst Zeugen ohn VerrichteteSache von Volperhausen weggegangen.
- Wahr, dass Beklagter im vorigen Jahr bey fürgenommener Beschreibung der Mastschweine mitt Zeugen des Sonnabends im Kruge zu Lauenberg gesessen.
- Undt wie wahr die ganzte nacht hindurch bis an den lichten Morgen getrunken undt in der Karten gespielet.
- Auch wie wahr etwa 2 ½ Gl. Gewonnen.
- Wahr, dass Er sich Kaum niedergeleget gehabt, man die Betglocke geläutet, und Er gemeinet, dass, es gülte schon in die Kirche , und sich ankleiden wollen, auf Bericht aber, dass es nur die Betglocke were, sich wieder niedergelegt.
- Wahr, dass nach geendigtem gottesdienst Er nebst Zeugen dem Oberförster in Mittzeugens des Försters zum Lauenberger Hauß gegangen.
- Wahr, dass Mittzeuge der Oberförster zu ihm gesagt, er möge ihm doch von demgewonnenen gelde so viel wiedergeben, dass Er davon die Zeche bezahlen könnte.
- Wahr aber, dass Beklagter darauf geantwortet , Nein, für so viel Geld müsste Er 72 Bauern um den altar jagen.
- Wahr, dass wegen der dabey gehörigen Filialen der Gottesdienst dahin reguliert sey, dass wenn selbiger des sonntags Morgens zu Schlarpe geendigt worden, die Predigt um 8 Uhr zu Vollperhausen sich anfangen müsste.
- Wahr aber, dass kurz nach weihnachten laufenden Jahres Beklagter alß Er des Sonntag morgens zu Schlarpe gepredigt, auß der Kirche in die Schule gangen, alda Branntwein getrunken, und dabey mit dem Bauermeister Christof Dietrichen Streit angefangen, sich auch daselbst beym Branntewein so lang verweilet, dass er kaum um 10 Uhr auß Schlarpe gangen.
- Inzwischen wie wahr die Volperhauser und Delliehauser zu Volperhausen im kalten Winter so lang vergeblich warten müssen
- Wahr, dass Er den 3 ten Marty laufenden Jahres zu Schlarpe Betstunden gehalten.
- Auß der Kirchen aber so gleich in Brantweins Hauß gangen, seinen Schwagern Wulbrandt Fischern und dessen Frau dahin hohlen lassen, mitt ihnen Streit angefangen, die Frau vor eine Huhre gescholten, die so viel Huhrkinder gehabt hätte, dass wenn sie alle weren ans tages Licht kommen, man damit zwey Dörfer besetzen könne.
- Ihn Wulbrandt Fischern aber wie wahr, an die Ohren geschlagen aufs bette geworfen und übel zugerichtet.
- Wahr, dass vor einigen Jahren, alß sein Knecht seinem pferde Hahre aus dem Schwantze geschnitten, Er demselben nachgelaufen undt ihn in Mittzeugen Hanßenen HennekensHause mit einer Wagenketten selbst an den Ständer geschlossen, und daran eine weile Stehen lassen.
- Wahr, dass in ann. 1699 den 7 ten Sonntag nach nach Trinitatis zur Schlarpe communion gehalten worden, und viele Leute zum Heil. Abendmahl gewesen.
- Wahr aber, dass er zwar den ersten Kelch Wein eingesegnet, alß Er aber den andern Kelch voll eingegossen, selbigen ohne einiger einsegnung deren Communikanten Außgetheilet.
- Wahr, dass vor etwa 6 jahren Er des Sonnabends nachmittags um 5 uhr von Üßler nacher Schlarpe geritten gekommen, üm alda Beicht zu sitzen.
- Wahr, dass Er gantz trunken undt voll gewesen, und im Beichtstuhl bey der absolution kaum die augen aufthun können.
- Wahr, dass wie Er dahin geritten kommen Er vor des Schulmeisters Hauß geritten und gefragt, ob er Wein gehohlet, derselbe aber geantwortet, es were nun schon 5 uhr, undt hette Er nicht gewusst, dass Er noch kommen würde.
- Wahr, dass Beklagter darauf gesagt, Er sollte den Wein ins Teufels nahmen hohlen.
- Wahr, dass Zeugen eben dero Zeit zur Beichte gehen wollen, solcher angehörten Worte halber es aber unterlassen.
- Wahr, dass er gegen Mittzeugen Hanßen Baufen auß gewissen ursachen so Er zurZahlen hatt, Feindschaft gehegt.
- Wahr, dass wie derselbe im Pfinsten laufenden Jahres zum Heil. Abendmahl gewesen, Beklagter ihm den Kelch in den Mund gestoßen, so dass der gesgnete Wein davon am altar Tuche hinunter geflossen.
- Wahr, dass Er vor 4 Jahren Johann Degenhardten ein Schwein im Felde mitt derHeugabel todt gestochen.
- Wahr, dass vor etwa 4 Jahren einige Gänse auf seine Frucht im Felde gerahten.
- Wahr, dass Er selbige alle aufgefangen hinweg genommen, und obgleich die Leute, denen selbige gehört vor jedes stück ihm 6 gl. Angeboten danach selbige allemal gemästet und geschlachtet, oder auch an andere vertauschet.
- Wahr, dass er im vorigen Jahr mitt Janssens Fahlbuschens Frauen Streit angefangen, dieselbe zweimahl vor den Kopf gestoßen, übers Haubt geschlagen, bey der Gurgel gekrigt und erwürgen wollen.
- Nicht weniger wahr, dass Er in seinem Hauße ein ärgerlich es Leben führe, mit seiner Frauen in großer uneinigkeit lebe, unddieselbe gar oft mitt herben Plagen belege.
- Wahr, dass den Tag vor Maria Heimsuchung dieses Jahres Er im Branteweins Kruge zu Volperhausen gesessen und sich voll Branteweins getrunken.
- Wahr, dass wie Er von da zu Hause kommen, Er mitt seiner Frauen Streit angefangen, und dieselbe geschlagen, dass sie aus ihrem Hausein Zeugen Johann Wittlers Hauß gelaufen, und die Thür hinter sich zugemacht.
- Wahr, dass er hinter ihr hergelaufen, Johann Wittlers Thür auß den Hespen gehoben und in die Dehle hineingeworfen, seine Frau aber zur Hinterthür hinauß gelaufen.
- Wahr, dass Er noch letzhin den 16 ten Aug. dieses Jahres seine Frau geschlagen und dieselbe in die Miste oder ahlpfuhl auf seinen Hof e hinein gejaget.
- Undt wie wahr, sie vor eine Euterhuhren außgescholten.
Diese Anklageschrift war am 18. August 1701 in Delliehausen abgefasst und von 22 Bewohnern der vier Dörfer des Kirchspiels unterschrieben worden. Der Göttinger Notar Johann Joachim Buchholz hatte sie zudem beglaubigt und gesiegelt.
Doch die Bemühungen der vier Gemeinden, ihren ungeliebten Pastor Jeep los zu werden, blieben erfolglos. Justus Johannes Jeep blieb bis zu seinem Tode im Jahre 1721 Pastor im Kirchspiel.
Im Jahre 1722 handelten seine Witwe und Jeeps Nachfolger Ludolf Levin Schatz einen Übergabevertrag darüber aus, was Jeeps Witwe weiterhin zum Lebensunterhalt und was Pastor Schatz zustand.
Anmerkung des Verfassers:
Ich habe den Text der Anklageschrift wegen seiner ursprünglichen und eindrücklichen Sprache im unveränderten Wortlaut und in der originalen Rechtschreibung widergegeben. Er ist, wie ich meine, ein bedeutendes Zeitdokument und trotz der altertümlichen Rechtschreibung und Ausdrucksweise auch für den heutigen Leser gut verständlich.
Quellen:
NHStA Hannover
Hann 74. Uslar Nr. 1362 Pfarrbestellungssachen, Anstellung der Prediger
Pfarrarchiv Volpriehausen:
Die Klageschrift gegen Pastor Justus Johannes Jeep
Wahr und Zeugen wißendt, …
Literatur:
Detlev Herbst:
750 Jahre Volpriehausen
Göttingen 1983