Der Bau der Eisenbahnlinie Northeim – Ottbergen

Text: Detlev Herbst

Ergänzungen und Layout: Harald Wokittel

Westfalen gewann im Zeitalter der Industrialisierung mehr und mehr an Bedeutung. So entschloss man sich aus wirtschaftlichen Gründen, die bereits bestehende Bahnlinie Nordhausen – Northeim bis zum Anschlusspunkt Ottbergen an die Strecke Berlin – Kreiensen – Altenbeken – Hagen zu verlängern. Für die Region war dieses eine sehr wichtige Entscheidung und der erste Schritt zur langsam beginnenden Industrialisierung des Sollings.

Ursprünglich war im Raum Volpriehausen wohl an eine Trassenführung der neuen Bahnlinie über Delliehausen gedacht. Aus heute nicht mehr feststellbaren Gründen entschied man sich dann doch für die jetzige Streckenführung mit all den Geländeschwierigkeiten, die sich dadurch ergaben. Nicht alle Sollinger waren anfangs für den Bau der geplanten Eisenbahn von Northeim nach Ottbergen. Wie aus verschiedenen noch erhalten Sitzungsprotokollen hervorgeht, gab es heftige Diskussionen für und wider den geplanten Bau der Bahnlinie.

Schließlich wurde 1874 mit dem Bau der Bahnlinie begonnen. In der Umgebung von Volpriehausen wurden für damalige Verhältnisse riesige Erdbewegungen durchgeführt, um den Damm für die geplante Trasse aufzuschütten. Unter den hier beschäftigten Arbeitern befanden sich sehr viele ausländische Arbeiter, vor allen aus Italien und aus Serbien. Sie wohnten während ihres Arbeitseinsatzes in der Gastwirtschaft Conrad.

Teilstück aus der Konstrucktionszeichnung, kurz vor dem Tunneleingang Richtung Ertinghausen
Bild: Ortsarchiv Volpriehausen

Im Übrigen gab der Eisenbahnbau vielen arbeitslosen Einwohnern Arbeit und brachte so einen bescheidenen wirtschaftlichen Aufschwung. Unter den Arbeitern soll es damals häufig zu Streitigkeiten und zu Schlägereien gekommen sein (siehe auch in Kürze den HNA Bericht von Herrn Dr. Schäfer auf dieser Webseite).

Ertinghäuser Tunnel aus Sicht Volpriehausen um 1900 – Foto: Ortsarchiv Volpriehausen

Neben den umfangreichen Erdarbeiten bereitete vor allem die Überwindung der Hardegser Köpfe und des Bollerts große Schwierigkeiten. Man entschloss sich daher zum Bau des Ertinghäuser Tunnels, mit dem 1873 begonnen wurde. Der erste Spatenstich für den Tunnelbau erfolgte am 11. Januar 1873 durch den Uslarer Bürgermeister Karl Jörn als Dank für seine Bemühungen um die Förderung des Bahnbaus. Im Rahmen einer kurzen Feier soll Jörn folgenden Vers gesprochen haben:

Der erste Spatenstich ist heut‘ getan.

Der Fortschritts Maulwurf, er beginnt zu graben.

Glück auf, den Braven, die die Eisenbahn

des Sollings bis hier gefördert haben.

Tunnelbeschriftung 2020 – Foto: Harald Wokittel

Am 09. September 1876 erfolgte der Durchstich des Ertinghäuser Tunnels. Man hatte dazu von Westen her einen Firststollen und vom Osten her einen Sohlstollen vorangetrieben. Zur Feier des Tages herrschte ein Tag Arbeitsruhe. Am Tunnel waren Tische und Stühle aufgebaut, um den feierlichen Augenblick gebührend zu begehen. Ein Musikcorps spielte für die Beamten, Bauunternehmer, Arbeiter und die gesamte Bevölkerung, die auf den Beinen war, „Glück auf“. Danach wurde der Tunnel gemeinsam durchschritten und in einer provisorisch errichteten Festhalle weitergefeiert. Der Tunnel ist genau 958 m lang. Davon liegen 416 m in einer Kurve. Er hat eine lichte Weite von 8 m, seine Scheitelhöhe beträgt 6 m und die Gesteinsmächtigkeit über der Firste ca. 89 m. Der höchste Punkt der gesamten Bahnlinie liegt mit 159,5 m ebenfalls im Tunnel. An dieser Stelle befindet sich die Wasserscheide zwischen Harz und Weser.

Verlauf des Schienennetzes mit Ertinghäuser Tunnel

Am 15. Januar 1878 wurde die Bahnlinie feierlich eröffnet. Die Fertigstellung der Bahnlinie war eine Leistung, vor der man heute noch großen Respekt haben muss, wenn man bedenkt, dass als technische Hilfsmittel lediglich Schaufel, Hacke und Karren dienten. Nach der Eröffnung fuhren nur zwei Züge täglich zwischen Northeim und Ottbergen. Im Laufe der Zeit änderte sich das aber durch die fortschreitende Industrialisierung des Sollings.

In Volpriehausen und den übrigen drei Bollertgemeinden betrachtete man den feierlichen Augenblick der Eröffnung sicher mit Wehmut. Denn bis zu diesem Augenblick waren alle Versuche fehlgeschlagen, auch für Volpriehausen wenigstens die Genehmigung zur Anlage einer Haltestelle zu erhalten.

Doch die vier Gemeinden gaben nicht auf und richteten weitere Petitionen an die Kgl. Westfälische Eisenbahndirektion in Münster. Im Januar 1879 baten sie erneut um die „Einrichtung einer Eisenbahnhaltestelle zum Zweck der Personenbeförderung am Montag und Donnerstag einer jeden Woche, als an den Gerichtstagen des Kgl. Amtsgericht Uslar, bei der Wärterbude Nr. 25 oberhalb Volpriehausen oder, wenn das nicht möglich, bei der Wärterbude Nr. 26 am Bollerttunnel …“. Sie begründeten ihr erneutes Gesuch mit der unerträglichen Verschlechterung der Verkehrsanbindung nach der Eröffnung der Eisenbahnlinie.

Bis zum Bau der Bahnlinie war für Volpriehausen der nächstgelegene Bahnhof in Nörten an der Nord-Süd Bahnlinie. Zwischen Nörten und Uslar hatte ein regelmäßiger Güterverkehr durch Uslarer Frachtfuhrwerke bestanden. Die Frachtstücke wurden zu billigen Frachtsätzen praktisch vor der Tür abgeladen. Der Personenverkehr wurde zweimal täglich durch Postomnibusfahrtenzwischen Uslar und Hardegsen aufrechterhalten. Diese günstige Fracht- und Personenbeförderung wurde mit der Einweihung der Bahnlinie eingestellt, so dass die Volpriehäuser Uslar oder Hardegsen –  das wären die nächsten Bahnhöfe – nur noch zu Fuß erreichen konnten.

Die bisherigen Petitionen waren abgelehnt worden, weil die starke Steigung der Bahnstrecke im Bereich Volpriehausens die Anlage einer Haltestelle erlaubte. Deswegen schlugen die Bauermeister der vier Bollertgemeinden jetzt die Einrichtung einer Haltestelle an der Wärterbude 26 vor dem Bollerttunnel vor, weil dort die Steigung erheblich geringer war und dort Personenzüge mit vier bis sechs Wagen ohne Schwierigkeiten halten konnten.

Am 1. August des Jahres 1880 wurde endlich auf Schlarper Gebiet an der Wärterbude vor dem Tunnel eine Haltestelle für den Personalverkehr eingerichtet. Sie erhielt die Bezeichnung „Schlarpe“ und bestand aus einem kleinen Stationsgebäude. Dieses Gebäude – inzwischen mehrfach durch An- und Umbauten verändert – steht noch an der gleichen Stelle kurz vor dem Tunnel und wird von der Familie Hallmann bewohnt.

Ehemaliges Bahnwärterhäuschen 26 um 1950, noch heute im Besitz der Fam. Hallmann – Bild: Ortsarchiv Volpriehausen

Die erforderlichen Warteräume an der Bahnlinie mussten damals noch von den beteiligten Gemeinden selbst finanziert werden. Reuse berichtet, dass die Gemeinde Delliehausen deswegen bei der Landeskreditanstalt in Hannover eine Anleihe von 150 M. aufgenommen hat.

Zwei Jahre nach der Eröffnung der Haltestelle vor dem Bollerttunnel hielten die Sollinger Nachrichten Rückschau auf die Entwicklung des Verkehrsaufkommens in Volpriehausen. Während der vergangenen beiden Jahre waren in Volpriehausen 13.700 Fahrkarten nach Uslar, Hardegsen, Moringen und Northeim ausgegeben worden. In den genannten Zielbahnhöfen waren sogar noch mehr Fahrkarten nach Volpriehausen verkauft worden. Damit waren alle Bedenken beseitigt, dass die Haltestelle eventuell wegen Unrentabilität wieder geschlossen werden könne.

Die Eisenbahndirektion hatte inzwischen sogar ein Klosett, freundliche Anlagen und kleine Blumenbeete auf der Station angelegt. Außerdem waren bessere Zugänge zum Stationsgebäude geschaffen worden. Als nächsten Schritterwarte man nun die Genehmigung, auch Fahrkarten nach Bodenfelde, Lauenförde und Karlshafen ausgeben zu können, Reisende, die einen dieser Zielorte erreichen wollten, mussten bislang in Uslar aussteigen und dort nachlösen.

1882 wurde zwischen den Haltestellen Schlarpe und Wulften und Göttingen eine direkte Personen- und Gepäckbeförderung eingerichtet.

Damaliges Bahnwärterhäuschen 26 (13.10.2020) – Foto: Harald Wokittel

Bis zum Jahre 1886 wurde die Bahnlinie eingleisig geführt. Erst zu diesem Zeitpunkt entschloss man sich ein zweites Gleis zu verlegen. Im selben Jahr, am 1.10.1886, wurde der Volpriehäuser Bahnhof an die jetzige Stelle verlegt und dort eine geräumige Wartehalle erbaut. Das jetzige Bahnhofsgebäude ist in mehreren Stufen erbaut worden. Das genaue Baujahr habe ich nicht feststellen können.

Die Bahnsteigüberdachung wurde zwischen 1895 und 1900 erbaut. Als Wohngebäude für Bahnbedienstete gehörten noch die beiden Gebäude jenseits der Gleise zum Bahnhof.

Der Bahnhof Volpriehausen mit der Schormannschen Gastwirtschaft im Jahre 1895 – Foto: Ortsarchiv Volpriehausen

Der erste Bahnhofsvorsteher in Volpriehausen kam aus Nordhannover. Er hieß Johannes Meyer und war der Großvater von Frau Wächter, deren Mann lange Jahre in Gierswalde Lehrer war. Es wird berichtet, dass er nicht grade begeistert war, in den „finsteren Solling“ versetzt zu werden. Alles was ihm aus dem Solling bekannt war, hatte ihm seine Tochter aus dem Erdkundeunterricht erzählt, nämlich, dass der Solling ein armes Gebiet sei und sich dessen Bewohner vom Beerenlesen und vom Holzsammeln kümmerlich ernähren.

Sein Nachfolger war um 1897 Fitterer, der während seiner Amtszeit in Volpriehausen als Abgeordneter in den Landtag gewählt wurde.

Zu dieser Zeit gab es bei der Bahn noch vier verschiedene Wagenklassen. Beim Lösen einer Fahrkarte in einer der ersten drei Klassen wurden zusätzlich noch Platzgebühren erhoben. Sie betrugen bis zu 150 Kilometern in der ersten und zweiten Klasse eine Mark, in der dritten Klasse 50 Pfennige, für beliebige Entfernungen betrugen sie in der ersten und zweiten Klasse zwei Mark und in der dritten Klasse eine Mark. Ermäßigte Rückfahrkarten waren jeweils nur drei Tage gültig.

Der Preis für eine Fahrkarte zwischen Volpriehausen und Hannover betrug 1897 bei einer Fahrstrecke von 111 Kilometern für die Fahrt

1. Klasse                      2. Klasse          3. Klasse          4. Klasse

Personenzug            8,90                   6,70                 4,30           2,30    

Schnellzug            9,80            7,30                 5,10            

Hin- u. Rückfahrt    13,40           10,00               6,70

Zehn Kilogramm Reisegepäck kosteten zusätzlich 56 Pfennige.

Nach dem Fahrplan von 1904 hielten in Volpriehausen täglich 12 Züge. Bis zum Jahre 1905 existierte die Straßenführung vor dem Bahnhof noch nicht in der Form, wie wir sie heute vorfinden. Denn mit dem Bau der Unterführung für die Straße nach Schlarpe wurde erst am 11.04.1905 begonnen. Vorher verliefen die Straße und der Fußweg neben dem Bahnhof über die Gleise. Die Gleise wurden durch eine Schranke gesperrt, so dass die Reisenden gefahrlos den Bahnkörper überqueren konnten. Da aber um diese Zeit der Reise- und Berufsverkehr enorme Ausmaße angenommen hatte, entschloss man sich, die Gleise anzuheben, die Straße vor dem Bahnhof zu verlängern und das Gleisbett durch einen Tunnel zu unterqueren. Hierzu hatte die Reichsbahn von der Familie Schormann größere Landflächen kaufen müssen.

Das Passagieraufkommen auf dem Bahnhof erreichte um 1905 immerhin schon mehr als 1000 Reisende täglich. Im Jahre 1907 waren die Baumaßnahmen abgeschlossen und die neue Straßenführung nach Schlarpe konnte eingeweiht werden.

1912 fand eine Erweiterung der Gebäude auf dem Bahnhofsgelände statt. Man begann mit dem Bau eines Zweifamilienhauses für Unterbeamte und eines Stallgebäudes.

1926 hatte die Gewerkschaft Wittekind von ihrer elektrischen Zentrale ein Stromkabel zum Bahnhof verlegen lassen, so dass am Tage vor Heiligabend der Bahnhof zum ersten Male im Lichte elektrischer Beleuchtung erstrahlte.

1930 fuhren auf der Strecke von Leipzig-Nordhausen-Northeim nach Westfalen täglich 65 Güterzüge. Diese Zahl erhöhte sich 1939 auf 80 und während der des 2. Weltkrieges auf über 100 Güterzüge. 1985 verkehrten auf der Strecke von Northeim nach Ottbergen nur noch 2 bis 4 Güterzüge täglich.

Ein wunder Punkt von Anfang an seit dem Bestehen der Bahnstrecke war immer wieder der Ertinghäuser Tunnel. So fanden in den Jahren 1923 – 1927 umfangreiche Ausbesserungsarbeiten am gesamten Tunnel statt. Weitere folgten in den Jahren 1932, 1935 und 1938/39. Die vorläufig letzten Baumaßnahmen fanden in den Jahren 1953 – 1955 statt. Die gewaltige Überdeckung des Tunnels von 92 Metern hatte sich als zu schwere Belastung für das Gewölbe und auch für das Mauerwerk herausgestellt. Einsickerndes kohlensäurehaltiges Wasser und Rauchgas hatten im Laufe der Jahre das Mauerwerk zerfressen. Daher musste das gesamte Gewölbe durch 38 cm dicke Klinker verblendet, neu ausgefugt und abgedichtet werden. Diese Maßnahmen kosteten über 2,5 Millionen DM.

Ausbesserungsarbeiten am Bollerttunnel um 1923/24 – Foto: Ortsarchiv Volpriehausen

Im März/April 1945 sollte die Straßenführung am Bollert durch Soldaten der deutschen Wehrmacht, die sich auf dem Rückzug befanden, gesprengt werden, um den Amerikanern das Nachrücken zu erschweren. Sie hatten sogar schon die Sprenglöcher gebohrt. Da gelang es im letzten Augenblick dem Bahnhofsvorsteher Müller und seinem Vertreter Hartmann, Bürgermeister Warnecke und Hauptmann Dannhausen von der Muna, den ortsfremden Mannschaften und Offiziere einzureden, dass die Sprengung zu diesem Zeitpunkt auf keinen Fall erfolgen dürfe. Es seien noch zwei Züge mit Soldaten von der Weser her gemeldet, die unbedingt passieren müssten. Danach zogen die Soldaten weiter, ohne diese sinnlose Zerstörungsmaßnahme durchzuführen.

Bis Mitte 1956 war der Bahnhof Volpriehausen personalmäßig und fachlich eine selbstständige Dienststelle. Im Laufe des Jahres 1956 wurde er als Beben-Dienststelle personalmäßig dem Bahnhof Moringen angegliedert. Fachlich blieb er selbstständig. Weitere organisatorische Veränderungen brachten es mit sich, dass er 1969 als Neben-Dienststelle dem Bahnhof Uslar zugeordnet wurde. Im Jahre 1971 schließlich verlor er seine Selbstständigkeit und wurde eine Nebenstelle des Bahnhofs Uslar. Damit wurde zur gleichen Zeit der Uslarer Dienstvorsteher auch Leiter des Bahnhofs Volpriehausen. Wilhelm Pfuhl war somit der letzte Bahnhofsvorsteher Volpriehausens.

Heutiger Haltepunkt Volpriehausen (13.10.2020) , im Hintergrund der alte Bahnhof – Foto: Harald Wokittel

Die Bahnhofsvorsteher in Volpriehausen:

1889 – 1896    Johannes Meyer, Weichensteller erster Klasse

1897                Fitterer

1901 – 1902    Mühlradt

1903 – 1907    Arno Standau

1907 – 1912    Karl Braun

1913 – 1923    Bauermeister

1924 – 1947    Obersekretär Müller

1947 – 1953    Obersekretär Busse

1953 – 1956    Obersekretär Wilde

1956 – 1961    Obersekretär H. Langer

1961 – 1971    Obersekretär W. Pfuhl          

Mit der Einführung des Knotenpunktsystems bei der Bundesbahn verlor auch der Bahnhof Uslar seine Selbstständigkeit. Seitdem gehören Uslar, Volpriehausen und die Haltepunkte und Bahnhöfe zwischen Ertinghausen und Lauenförde personell und fachlich zum Bahnhof Bodenfelde. Dies betrifft auch den Rangierverkehr. Die beiden Rangierloks des Bahnhofs Bodenfelde bringen zu diesen Orten die Güterwagen in den Morgenstunden und holen sie in den Nachmittagsstunden wieder ab.

Bis 1945 gehörte der Bahnhof Volpriehausen zur Reichsbahndirektion Kassel und zum Betriebsamt Höxter, danach zur Bundesbahndirektion Hannover und zum Betriebsamt Warburg.

In Volpriehausen war im Gegensatz zu vielen anderen Bahnhöfen immer nur ein Stellwerk direkt im Bahnhofsgebäude vorhanden. Da der Bahnhof nicht sehr lang ist und kein besonderes Überholgleis hat, war es möglich, die beiden Einfahrsignale, die beiden Ausfahrsignale und die wenigen Weichen von einer Stelle aus zu bedienen. Durch das Gefälle in Richtung Uslar mussten die Nebengleise immer tiefer bzw. höher gelegt werden, um das Weglaufen von abgestellten Wagen zu verhindern.

Letzter Dampfzug auf der Strecke zwischen Ottbergen und Northeim bei km 39,9 am 29.05.1976
Foto: Ortsarchiv Volriehausen

Durch den geringer gewordenen Zugverkehr und ein nachlassendes Frachtgutaufkommen nach dem Kriege bzw. nach 1970, besetzte man die Stelle des Fahrdienstleiters, der hier auch Fahrkarten und Expressgut bzw. Reisegepäck annahm und ausgab, an Sonntagen und an den übrigen Tagen nicht mehr zu Früh- und Spätzügen. Dazu waren umfangreiche Änderungen an den Signal- und Sicherungsanlagen für den Zugverkehr notwendig. Seit dem 28.09.1975 kann das Stellwerk „Vf“ zeitweise abgeschaltet werden. Die Signale werden in Fahrtstellung verschlossen. Damit scheidet der Bahnhof Volpriehausen für die Zugfolge aus. Die Züge werden von Uslar nach Hardegsen oder umgekehrt abgemeldet und zurückgemeldet.

Bis 1976 zogen Dampflokomotiven der Bau Serie 44 die langen Güterzüge. Der letzte Dampfzug auf der Strecke Ottbergen – Northeim fuhr am 29.05.1976. Sie wurden danach von Diesellokomotiven abgelöst.

Dampfzug der 44er Serie aus Richtung Ertinghausen kommend bei km 39,9 , kurz nach Tunnelende – Foto: unbekannt

Der Rückbau der Bahnstrecke Hardegsen – Bodenfelde begann ab 1990. Mit dem durchgehenden D-Zug von Halle nach Köln wurde auch die letzte durchgehende Verbindung nach Westfalen gestrichen, der Haltepunkt Ertinghausen wurde geschlossen. Die Bahnstrecke wurde Anfang 1990 wieder auf ein Gleis zurückgebaut. Die Schienen des zweiten Gleises wurden mit den Schwellen entfernt. Zugkreuzungen sind seitdem nur noch in Lauenförde, Bodenfelde, Uslar und Hardegsen möglich.

Ehemaliger Haltepunkt Ertinghausen – Foto: Harald Wokittel 2020

Zur heutigen Zeit wird diese Umstellung auf die Eingleisigkeit wieder bedauert, da z. B. ein regelmäßiger Güterverkehr auf einer eingleisigen Strecke fast unmöglich ist.

Mit der Aktion “Dampf für die Sollingbahn” wurde am 23. September 2001 eine gemeinsame Aktion der an der Bahnlinie beteiligten Orte und Städte zum Erhalt der Sollingbahn – in diesem Fall für die Sanierung des Ertinghäuser Tunnels – durch den Umweltbeirat der Stadt Hardegsen ins Leben gerufen und durchgeführt.

Plakat für Dampf für die Sollingbahn 2001

Eine Dampflok der Baureihe 50 der Dampflok-Betriebs-Gemeinschaft Hildesheim zog sechs Personenwagen auf der von ca. 10.000 Besuchern gesäumten Strecke der Sollingbahn zwischen den Stationen Northeim – Hardegsen – Volpriehausen – Uslar – Bodenfelde und zurück in der Zeit von 9.25 Uhr bis 18.00 Uhr. In dieser Zeit fuhren ca. 1.000 Personen mit dem eingesetzten Sonderzug. Durch die beteiligte Orte und Städte sowie vielen Vereinen wurde den Besuchern ein umfangreiches Programm an den Bahnhöfen geboten.

Die 50er Dampflok auf dem Bahnhof Hardegsen – Foto: Umweltbeirat Hardegsen/HNA

Der Ertinghäuser Tunnel wurde im Winter 2001/2002 renoviert. Für 15 bis 20 Jahre wurde somit die Sicherheit und der technische Fortbestand der Strecke sichergestellt.

Die Aktion “Dampf für die Sollingbahn” wurde im Jahre 2005 wiederholt. Mit dieser Aktion sollte daran erinnert werden, dass zum langfristigen Erhalt der Strecke viele Aspekte beachtet werden müssen. Leider konnte die Dampflok diesmal nicht fahren, da sie auf der Fahrt von Vienenburg im Harz mit einem Schaden in Kreinsen liegen blieb. Die historischen Personenwaggons wurden daher von einer roten Diesellok gezogen.

Die auffälligste Änderung auf der Sollingbahn ist die Steuerung der Züge mittels modernster Signaltechnik durch das elektronische Stellwerk in Göttingen. Die Strecken von Göttingen, Northeim und Kreiensen nach Langeland bei Altenbeken werden von Göttingen aus ferngesteuert. Dafür wurden entlang der Strecke eine neue Steuerungstechnik verlegt, elektronisch überwachte Schranken mit Ampelanlagen sowie Funkmasten errichtet. Im Gegenzug wurden die veralteten Stellwerke an der Strecke außer Betrieb genommen. Da das elektronische Stellwerk in Göttingen rund um die Uhr besetzt ist, sind jetzt auch Nachtfahrten möglich.

Die Schienen auf der Sollingbahn sind teilweise 60 Jahre alt und älter und weisen Verschleißspuren auf, die zur Senkung der Streckengeschwindigkeit von 100 auf 80 km/h zwischen dem Ertinghäuser Tunnel und Bodenfelde führten. Im gleichen Abschnitt konnten auf 700m nur 20km/h zugelassen werden. Daher wurden im Winter 2008 jede Nacht 500 m Schienen ausgetauscht; so dass auf dem genannten Streckenabschnitt wieder mit 100 km/h gefahren werden kann. Im Frühjahr 2010 wurden die Gleise mit Schienen, Schwellen und Gleisbett zwischen Northeim und Hardegsen komplett erneuert und Schienen mit einem neueren Profil verlegt, so dass auch höhere Geschwindigkeiten möglich wären.

Der einschneidenste Schritt auf der Sollingbahn war der Rückbau der Strecke auf ein Gleis. Dadurch können sich nur noch Züge mit einer Länge bis zu 400 m Länge begegnen. Güterverkehr am Tage wäre nur mit noch mit einer noch weiteren Ausdünnung des Personenverkehrs möglich, was aber durch die anliegenden Orte und Städte keinesfalls erwünscht ist. Zur heutigen Zeit sind Personenzugleistungen vom Land Niedersachsen im Verkehrsvertrag geregelt und werden auf Jahre festgeschrieben. Sollte Güterverkehr in Zukunft notwendig sein, könnte man hierfür die Nachtstunden nutzen.

Seit dem 15. Dezember 2013 wird die Sollingbahn durch zwei verschiedene Bahngesellschaften bedient. Der Abschnitt Ottbergen–Bodenfelde wird werktags alle 60 Minuten (sonntags: Zwei-Stunden-Takt) durch die NorWestBahn bedient, welche ihre Züge ab Bodenfelde über die Bahnstrecke nach Göttingen durchbindet. Der Abschnitt Bodenfelde–Northeim wird vonDB Regio mit Regionalbahnen im Zwei-Stunden-Takt befahren, hinzu kommen einzelne Züge im Schülerverkehr. Diese Verbindung wird in Northeim über die Südharzstrecke nach Nordhausen durchgebunden. (Absatz aus Wikipedia – Sollingbahn)

Neben den Personenzügen fahren ab und zu auch außerplanmäßige Züge auf der Strecke der Sollingbahn. So zum Beispiel Instandsetzungszüge der Bahn oder …

Überführung einer bzw. zwei Loks – Modell noch in Klärung – Foto: Harald Wokittel 10/2020

Der Ertinghäuser Tunnel wird jährlich untersucht. Eine komplette Sanierung des Ertinghäuser Tunnels und der Eingangsportale, die nun seit der letzten Sanierung doch notwendig geworden sind, soll nach Aussagen von Bahnmitarbeitern im Jahre 2026 erfolgen.